Datum & Uhrzeit

Datum 9. Februar 2019
Beginn 20:00
Kasse 19:00

residenz at sendesaal: Asya Fateyeva

Asya Fateyeva , die großartige Vertreterin des klassischen Saxophonspiels schreibt über die neue CD , die sie in dieser Woche im Sendesaal produziert und deren Musik in diesem Konzert erklingt : In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und kurz bevor die Katastrophe des zweiten Kriegs über die Menschheit hereinbrach und alles für immer veränderte , widmeten viele Komponisten ihre Werke dem relativ neu aus Frankreich erschienenen Saxophon. Vom Belgier Antoine Joseph Sax Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden, erklingt es heute in unterschiedlichen Kammermusikbesetzungen – Stücke aus einer relativ friedlichen Auszeit vor dem Sturm….

Mit freundlicher Unterstützung der Heinz-Peter und Annelotte Koch-Stiftung


Asya Fateyeva – Saxophon
Shirley Brill – Klarinette
Stepan Simonian – Klavier
Florian Donderer/Emma Yoon – Violinen
Yuko Hara – Viola
Tanja Tetzlaff – Cello

Programm:
Erwin Schulhoff: Hot Sonata für Altsaxophon und Klavier WV95 (1930), bearbeitet für Streicher
Ernst Krenek: Suite aus „Jonny spielt auf“
Adolf Busch: Quintett für Altsaxophon und Streicher
Paul Hindemith: Trio für Klavier, Tenorsaxophon und Viola op.47 (1928)
Anton Webern: Quartett für Klarinette, Violine, Tenorsaxophon und Klavier op.22
Kurt Weill: Mackie Messer, Ballade vom angenehmen Leben, Zuhälterballade, Kanonensong aus der „Dreigroschenoper“ für Saxophon und Klavier

Ein Saxophon ziert das berühmt-berüchtigte Plakat zur Ausstellung `Entartete Kunst`. Die Nationalsozialisten verbanden mit diesem Instrument alles, was ihnen in der Musik als verachtenswert, gefährlich und `undeutsch´, eben als `entartet`, galt. Im Jahr 1840 von dem Belgier Adolphe Sax erfunden, ist es bis heute im klassischen Konzertsaal selten anzutreffen, was auch an der aggressiv-expressiven Klangfarbe liegen mag, die es eher als Soloinstrument oder in einem Ensemble ähnlich klingender Instrumente geeignet erscheinen lassen. Tatsächlich jedoch wollte Sax ein Instrument schaffen, das klanglich zwischen der Oboe und der Klarinette anzusiedeln ist und für die `ernsthafte Konzertmusik` vorgesehen war. Den Einzug in den Jazz, wo es als Hauptmelodieinstrument gilt, hat es erst viel später vollzogen.

Sämtliche Komponisten des heutigen Konzertes waren in Konflikt mit den Nationalsozialisten geraten. Bis auf Erwin Schulhoff, der 1942 in einem Internierungslager an Tuberkulose starb, und Anton Webern, der mit Berufsverbot belegt seine letzten Jahre in Österreich in einer Art inneren Emigration verbrachte, gelang aber allen die Flucht ins Exil. Ein interessanter Aspekt ist ohne Frage die Tatsache, dass sie ausgerechnet für das von den Nationalsozialisten verpönte Saxophon komponierten, wie Adolf Busch sogar mehrere Werke.

Mit Erwin Schulhoff (1894 in Prag bis 1942 Weißenburg /Bayern)  verlor die Neue Musik einen ihrer neugierigsten Komponisten. Ein großer Teil seines umfangreichen Oeuvres war vom Jazz beeinflusst, und er wandte sich mehr und mehr der politisch motivierten Musik zu, was ihm unter den Nazis die Einordnung unter die entarteten Künstler und ein totales Berufsverbot einbrachte. So musste er sich zum Beispiel eine Zeitlang unter einem Pseudonym als Jazzpianist durchschlagen. Die Hot-Sonata, sein bekanntestes Stück, erklingt hier in einer Bearbeitung mit Streichern. Die klassische Folge von vier Sätzen wird durch Spielanweisungen wie `lamentuoso ma molto grottesco` oder `sempre glissando` karikiert, aber Schulhoff hat dennoch auf einheitliche Materialgestaltung und thematische Verknüpfung der vier Sätze geachtet. Das Werk wurde im Jahre 1930 von dem Saxophonisten Billy Barton und Schulhoff am Klavier uraufgeführt.

`Jonny spielt auf` ist Ernst Kreneks (1900 in Wien bis 1991 in Palm Springs/ Kalifornien) populärstes Werk. In seiner Heimatstadt begann er bereits im Alter von 16 Jahren mit dem Kompositionsstudium. Während seine ersten Werke noch von einem freien, atonalen Kompositionsstil geprägt waren, wandte er sich später unter anderem dem Jazz, doch auch der Neoromantik und der Zwölftontechnik zu.

Gleich zwei Werke für Saxophon und verschiedene Mitstreiter in unserem heutigen Programm stammen aus der Feder von Adolf Busch (1891 in Siegen bis 1952).  Busch war einer der rührigsten Kammermusiker seiner Zeit und Gründer des weltbekannten Busch-Quartetts. Nach seiner aus überzeugter Opposition gegen die Nazis erfolgten Emigration in die Schweiz wurde er unter anderem zusammen mit Arturo Toscanini und seinem dirigierenden Bruder Fritz der Mitbegründer des Lucerne- Festivals und der Mittelpunkt verschiedenster Kammermusikensembles.

In seiner frühen Schaffensperiode schockte Paul Hindemith (1895 in Hanau bis 1963 in Frankfurt/Main) mit einem Klangstil, der verschiedene aus dem Jazz stammende Elemente sowie schroffe Rhythmen und grelle Dissonanzen miteinander verschmolz. Wie viele seiner Kollegen verließ  er nach einem Aufführungsverbot seiner Werke Deutschland und ging über die Schweiz in die USA. Inzwischen hatte sich seine Kompositionsweise stark verändert, er beschäftigte sich viel mit klassischen Formen und fand schließlich zu einem neoklassizistischen Stil. Musik sollte etwas handwerkliches an sich haben, er prägte den Begriff der Gebrauchsmusik und plädierte auch für dafür, sich als Komponist sozialen Herausforderungen zu stellen.

Seinen Adelstitel hatte Anton (von) Webern 1919 ablegen müssen, später durfte er unter der Herrschaft der Nationalsozialisten nicht mehr komponieren. 1883 in Wien geboren und 1945 in Mittersill bei Zell am See aus Versehen von einem US-amerikanischen Soldaten erschossen, hatte er den vielleicht radikalsten Weg beschritten, den ein Komponist wählen kann. Er fand aus einer hypertrophen, spätromantischen Klangwelt zu einer Musiksprache, die sich in winzigen, aphorismenartigen Floskeln auf den Kern der Musiksprache konzentrierte, sowohl in Hinsicht auf die Dauer der Stücke als auch auf die Besetzung. Sein Einfluss auf die Komponisten der sogenannten `Darmstädter Schule, wie Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Kurt Weill (1900 in Dessau bis 1950 in New York) war in den späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren äußerst populär, vor allem auf Grund seiner Dreigroschenoper, die allerdings unter seinen Komponistenkollegen auf ein sehr geteiltes Echo stieß. Schon früh bediente er sich bei seinen Werken diverser Jazz-Elemente und wurde nach seiner Emigration in die USA zu einem der erfolgreichsten Broadway-Komponisten.

Asya Fateyeva
1990 auf der Krim geboren, widmet sich als klassische Saxophonistin einem breiten Repertoire. Dazu gehören neben Originalwerken für ihr Instrument auch Werke aus dem Barock, der Klassik und der Romantik. Die junge Musikerin besitzt einige Erfahrung im Adaptieren von Kompositionen für ihr Instrument. Asya Fateyeva strebt danach, dem klassischen Saxophon einen noch selbstverständlicheren Platz im Musikleben zu erobern. Als Tenorsaxophonistin gehörte sie als ständiges Mitglied zum renommierten Alliage-Quintett. Seit 2014 unterrichtet die Wahl-Hamburgerin als Dozentin klassisches Saxophon an der Musikhochschule Münster.
Asya Fateyeva errang neben dem 3. Preis beim Internationalen Adolphe-Sax-Wettbewerb 2014 zuvor etliche erste Preise bei Wettbewerben in Russland, Frankreich und Deutschland. 2006 siegte sie etwa auf Bundesebene bei „Jugend musiziert“. 2012 schließlich erhielt sie den ersten Preis beim Deutschen Musikwettbewerb in Bonn. Seit 2006 ist die vielfach Ausgezeichnete Stipendiatin der Deutschen Stiftung Musikleben und bekam in diesem Rahmen das Gerd-Bucerius-Förderstipendium der ZEIT-Stiftung. In 2015 wurde Asya Fateyeva der mit 10.000 Euro dotierte Berenberg Kulturpreis verliehen.

Asya Fateyeva spielte bereits mit zahlreichen Orchestern. So etwa unter der Leitung von Vladimir Fedoseyev mit den Wiener Symphonikern im Musikverein Wien. Mehrfach musizierte sie mit den Moskauer Virtuosen unter Leitung von Vladimir Spivakov. Sie gastierte außerdem bei dem Tschaikowski Rundfunksymphonieorchester und der Ukrainischen Nationalphilharmonie, bei dem Staatlichen Sinfonieorchester Istanbul und dem Symphonieorchester Giuseppe Verdi Milano. Hinzukommen Auftritte mit Orchestern aus Bochum, Bonn, Frankfurt/Oder und Kassel. Großen Anklang fanden ihre Konzerte bei Festivals in Colmar, Fermo, Köln, Moskau und Sankt Petersburg sowie bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern und dem Musikfest „Spannungen“ in Heimbach.