Oskar Jezior: A China Love Story
Oskar Jezior, international gefeierter deutsch-polnischer Pianist, Geiger, Komponist und Filmemacher mit Bremer Wurzeln, hat fast 5 Jahre in Shanghai gelebt und sich an der chinesischen Musik begeistert. Wie er darauf seinen eigenen Reim gemacht hat, zeigt er an diesem Abend.
Oskar Jezior – Klavier
Programm
Wang Jianzhong 王建中: Liuyang River 浏阳河
He Zhanhao 何占豪 & Chen Gang 陈钢: The Butterfly Lovers 梁祝
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Shane Cao 曹轩宾 (arr. Oskar Jezior): Sadly, It’s Not You 可惜不是你
Fish Leong 梁静茹 (arr. Oskar Jezior): Courage 勇⽓
Eason Chan 陈奕迅 (arr. Oskar Jezior): Us 我们
JJ Lin 林俊傑 (arr. Oskar Jezior): She Says 她说
JJ Lin 林俊傑 (arr. Oskar Jezior): Twilight 不为谁而作的歌
Der erste Teil des Programms besteht aus zwei Werken, die exemplarisch für einen Musikstil stehen, der von den aufstrebenden Komponisten der noch jungen Volksrepublik China praktiziert wurde und darauf gründete, die traditionelle chinesische Pentatonik (Fünfton-Musik) mit westlichen Harmonien und Formen zu verbinden.
Liuyang River besingt in der in ganz China äußerst populären Liedfassung die Kindheit des damaligen Vorsitzenden der VR China, Mao Zedong, der eben an jenem Liuyang-Fluss aufwuchs, und wurde in den 1950ern vom damals noch fast jugendlichen Wang Jianzhong geschrieben, der heute in China als renommierter Komponist, Pädagoge und Pianist angesehen wird.
In den selben Zeitraum fällt die Entstehung des monumentalen The Butterfly Lovers, das als Konzert für Violin und Orchester konzipiert wurde, sich ebenfalls in der Vermählung von chinesischen und westlichen Stilelementen versucht und von den Shanghaier Kommilitonen He Zhanhao und Chen Gang anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Gründung der VR China komponiert wurde. Im Zuge der Kulturrevolution wurde das Werk als Ausdruck westlich gerichteter Bourgeoisie gebrandmarkt und verboten. Erst als die Zensurbehörde in den 1970ern das Verbot aufhob, gelangte das Werk zu Popularität und gilt nun im gesamten chinesischen Sprachraum als eines der beliebtesten Musikwerke überhaupt. Die Fassung für Solo-Klavier wurde vor einigen Jahren von Chen Gang angefertigt.
Die populärste Musikrichtung im gegenwärtigen China is der C-pop, also chinesischer Pop, der stark von westlicher Pop-Musik beeinflusst ist und sich inhaltlich zumeist auf das Besingen von Treueschwüren sowie das Betrauern von gescheiterten Liebesbeziehungen beschränkt. In seinem hemmungslosen Willen zur Sentimentalität und zum Pathos bietet er einen interessanten Einblick in die gegenwärtige Musikkultur Chinas. Daher steht im zweiten Teil des Konzertes die Uraufführung von fünf von Oskar Jezior geschriebenen Soloklavier-Arrangements besonders populärer C-pop-Songs auf dem Programm.
Oskar Jezior nahm im Alter von 15 Jahren als jüngster Musikstudent Bremens ein Doppelstudium an der Hochschule für Künste Bremen in den Fächern Klavier und Violine auf. 2009 schloss er sein Violinstudium in der Klasse von Prof. Krzysztof Wegrzyn an der Hochschule für Musik und Theater Hannover mit Auszeichnung ab. Ein mehrjähriges Klavierstudium bei Prof. Matti Raekallio führte ihn an die Hochschule für Musik und Theater Hannover und anschließend an die Juilliard School New York, wo er 2011 als bester Klavierstudent ausgewählt wurde, den Gina-Bachauer-Preis erhielt und ein im US-amerikanischen Rundfunk übertragenes Klavierrezital im Lincoln Center gab.
2009 debütierte Oskar Jezior mit den Warschauer Philharmonikern unter ihren Chefdirigenten Antoni Wit im Großen Saal der Warschauer Philharmonie. Darüber hinaus konzertierte er mit den Bremer Philharmonikern, den Posener Philharmonikern, dem Warschauer Kammerorchester, dem Philharmonieorchester Lublin und dem Orchestre de Paris-Sorbonne. Er trat in bedeutenden Konzertsälen auf, z.B. Bunkamura/Orchard Hall Tokyo, Phoenix Hall Osaka, Carnegie Hall New York, Nationaloper Warschau, Schauspielhaus Berlin, Deutsche Oper Berlin, Laeiszhalle Hamburg und Konzerthaus Glocke Bremen. Er ist regelmäßiger Gast internationaler Musikfestivals, z.B. Schwetzinger Festspiele, Braunschweig Classix Festival, Danziger Frühling und Bowdoin International Music Festival in Brunswick, Maine.
Mit der legendären Geigerin Wanda Wilkomirska verbindet ihn eine enge Zusammenarbeit als regelmäßiger Klavier- und Violinpartner. 2006 erschien seine Debüt-CD mit Beethovens Klaviersonaten op.106 „Hammerklavier“ & op.110 beim renommierten polnischen Label Polskie Nagranie. 2007 veröffentlichte DUX seine Wagner-/Szymanowski-CD mit der polnischen Mezzosopranistin Malgorzata Walewska. Er ist Preisträger zahlreicher Klavierwettbewerbe, z.B. Piano Campus Paris 2010 (2. Preis), Bremer Klavierwettbewerb 2009 (2. Preis) und Beethoven-Wettewerb R. Laugs Mannheim 2008 (2. Preis). Er war außerdem Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes sowie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).
Neben der Musik ist er auch im Bereich Film tätig. 2008 komponierte er für den Dokumentarfilm „I´ll Play It For You“ über Wanda Wilkomirska die Filmmusik. Für die auf mehreren internationalen Filmfestivals gezeigten Dokumentarfilme „Why Competitions“ (2010) über den Chopin-Klavierwettbewerb in Warschau und „Ida Haendel – This Is My Heritage“ (2011) war er als Schnittmeister, Drehbuchautor und Komponist tätig.
Fast fünf Jahre lang, nämlich von 2014-2018, lebte und arbeitete Oskar Jezior in Shanghai als artistic director an der Concord Music School. In dieser Zeit hat er eine tiefe Faszination für chinesische Musik und die dortige Kultur im Allgemeinen entwickelt. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland bindet er regelmäßig chinesische Musik verschiedenster Art in seine Konzertprogramme ein, um einen kleinen aber hoffentlich überzeugenden Beitrag dazu zu leisten, den Zuhörern hierzulande die Musik eines Landes näherzubringen, welches die meisten zwar aus den täglichen Nachrichten einigermaßen zu kennen glauben, deren (musikalische) Kultur jedoch vielen so fern wie unergründlich scheint.