Datum & Uhrzeit

Datum
Samstag, 15. März 2025
Beginn 20:00
Kasse 19:00

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Hercules Gomes (Brasilien)

Zu seinem ersten Konzert in Europa kommt der Brasilianische Pianist Hercules Gomes in den Sendesaal, um hier eine Live-CD aufzunehmen. Ein Musiker mit einer erstaunlichen Geschichte, die Sie weiter unten lesen können.

 

Ermäßigung gilt für Schüler:innen, Studierende bis 27 Jahre, Schwerbehinderte ab 70% und Bremen-Pass-Inhaber:innen. Bitte zeigen Sie den Ausweis für die jeweilige Ermäßigung beim Einlass.

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Hercules Gomes – Piano

Hercules Gomes – bisher unbekannt in Europa – hat eine erstaunliche Karriere als Pianistgemacht Hier ist seine Geschichte:

Regelmäßig eingeladen auf die bedeutendsten Bühnen Brasiliens, vom Kulturministerium als „lebender Nationalschatz“ bezeichnet, mit seinen Arrangements und Kompositionen immer häufiger zu finden im Repertoire auch vieler anderer großer Pianisten seines Landes, deutete in seiner Kindheit nichts auf einen solch herausragenden Erfolg hin. Andere wurden schon mit zwei oder drei Jahren ans Klavierspiel herangeführt. In der Gemeinde Porto Novo am Rand der Hauptstadt des kleinen Bundesstaates Espirito Santo, Vitória, gibt es keine Klaviere.

Sein Vater Paulino, ein Fahrzeuglackierer, ging oft Fischen, damit die Familie etwas mehr als Reis und Bohnen auf dem Tisch hatte. Abends spielte Paulino auf Familienfeiern und kleinen Festen Gitarre in einer Band.

Für den, der hier geboren wird, ohne Mittel für eine Privatschule, ist ein Studium reine Illusion. Und noch viel mehr ein Kunst- oder Musikstudium, denn das gilt wie sonst auch in der Welt, nicht gerade als Weg aus der Armut. Anders als zum Beispiel in Deutschland, berechtigen auch keine herausragenden Leistungen in einer Aufnahmeprüfung zum Studieren. Dazu braucht es ein Abitur, wo Fächer abgefragt werden, die es an den öffentlichen Schulen von Porto Novo gar nicht gab.

Erst mit sechzehn Jahren sitzt er zum ersten Mal an einem echten Klavier. Bis dahin spielte er lediglich auf einem Casio-Keyboard mit vier Oktaven in der Kirche, dem einzigen Ort in Porto Novo, an dem Kultur organisiert wurde. Und es ist Liebe auf den ersten Blick! Seine Eltern ermöglichen ihm einige wenige Stunden bei einem Musikkonservatorium, aber sie können sich schon nach kurzer Zeit die Klavierstunden nicht mehr leisten. Auch können die Lehrer ihm dort nicht beibringen, was er lernen will: Profunde Kenntnisse in Harmonielehre, Kompositionstechnik, Improvisation.

Er nimmt Kontakt zum einzigen Pianisten im gesamten Bundesstaat auf, der ihm das vermitteln könnte. Der Vielbeschäftigte  muss ihm sagen, dass er weder die Zeit noch Hercules die Mittel hätte, Unterricht bei ihm nehmen zu können. Stattdessen gibt er ihm den Hinweis, dass es in Brasilien zwei Studiengänge gibt, bei denen er das lernen könne, was ihm vorschwebt. Einen in Rio de Janeiro, einen zweiten in Campinas/Sao Paulo. Und nur der in Campinas würde etwas finanzielle Hilfe anbieten – für Unterkunft, Transport und Essen. Der Entschluss steht also fest: Er muss ins 1000 km entfernte Campinas!

In der Zeit, in der er sich auf die zwingend notwendige Abitursprüfung vorbereitet, fällt er als eigentlich dringend gebrauchter Mitverdiener aus. Das Geld, das er sich an vielen Abenden als Keyboarder verdient, reicht gerade für den Vorbereitungskurs. Seine Eltern glauben an ihn und verlieben sich in die Geschichte, dass ihr Sohn es schafft. Dessen Traum ist ihnen heilig, und sie unterstützen ihn, wo immer es geht.

Der zahlt es zurück. Lernt ein Jahr lang Geographie, Physik und all die anderen Fächer, die für das Klavierspiel weitgehend irrelevant sind. Er besteht die Abiturprüfung knapp, die Aufnahmeprüfung der Musikfakultät im fernen Campinas dagegen mit Bravour.

Den halbstündigen Weg vom Studentenheim zur Universität geht er oft zu Fuß oder fährt per Anhalter. Das Geld für den Bus spart er lieber, um die umgerechnet 40 €, die seine Familie monatlich entbehren kann, etwas aufzuwerten. Morgens um viertel vor sieben ist er regelmäßig der Erste, der die Schlange jener Studenten anführt, die sich um einen der raren Plätze an den Pianos bemühen. Abends um neun ist er der letzte, der den Campus verlässt. Aber das reicht ihm nicht. Auf sein Betreiben hin wird die Nutzungszeit bis 22.30 verlängert. Professoren geben ihm einen Schlüssel zu den Musikräumen, wo er manchmal heimlich schläft. So geht das über zwei Jahre lang, und er ist leidenschaftlicher und schneller als alle anderen. Und einsamer. Als die Universität monatelang streikt, bleibt er als einziger seiner Kommilitonen in Campinas. Er kann sich kein Busticket in seine Heimatstadt leisten. In dieser Zeit entwickelt sich das Klavier endgültig von einer Leidenschaft zu seiner Liebe.

Sein Fach „Brasilianische Musik“ begrenzt ihn. Er will mehr. Alles aus seinem Instrument herausholen. Die Grenzen, die ihm die Klavierliteratur seines Landes anbietet, sprengen. Er will alle Register und Instrumente auf sein Klavier holen. Er spielt bei Silvio Baroli vor, der zu dieser Zeit einen Lehrauftrag für klassisches Piano an der Unicamp innehat. Nach fünf Sekunden, so erinnert sich Silvio, prophezeit er Hercules eine großartige Karriere, sieht ihn als Solisten im Sala Sao Paulo, dem größten Konzerthaus des Landes: Musikalität, Rhythmusgefühl, Leidenschaft und Hingabe an die Musik, die großartigen Hände, alles wäre außergewöhnlich. Aber erst einmal müsse er für ein paar Monate aufhören, Klavier zu spielen! Für dieses Ziel müsse er sich die Spieltechnik großer klassischer Pianisten aneignen.
Hercules Gomes lässt sich darauf ein. Ein halbes Jahr verbringt er ausschließlich mit Fingerübungen, mehrere Stunden täglich. Wenn er heute davon erzählt, schießen ihm noch immer die Tränen in die Augen, so voller Dankbarkeit ist er für diesen Schicksalstag, der ihn zu Silvio geführt hat. Wer Hercules Gomes zum ersten Mal spielen sieht, denkt zunächst: Welch angeborene Leichtigkeit, welch einzigartiger Ansatz, sein Instrument zu beherrschen, was für ein Talent. Doch ist diese Meisterschaft das Ergebnis monatelanger Askese, zugebracht in nahezu religiösem Eifer.
Für Silvio Baroni gibt es keinen größeren lebenden Pianisten als Martha Argerich. Auch deshalb lehrt er eine unkonventionelle Methode, die auf Pietro Maranca zurückgeht, der wiederum Meisterschüler von Peter Feuchtwanger und vor allem Arturo Benedetti Michelangeli war – jenen Virtuosen und Pädagogen also, die auch Martha Argerich maßgeblich beeinflussten. In Silvio Barolis Wohnzimmer, in der kleinen Wohnung in den Häuserschluchten von Sao Paulo, hängen von Silvio selbst gemalte Ölportraits der Argentinierin.

Hercules ist sein Meisterschüler. Weitere zweieinhalb Jahre lang vertieft sich Hercules in das klassische Repertoire: Bach, Beethoven, Schumann, Rachmaninov. Liszt. Je komplizierter, desto besser. Eine völlig neue Welt, und Hercules berauscht sich an den neuen Fertigkeiten seiner Finger.

Als der Lehrauftrag für Silvio ausläuft, bricht für Hercules diese Welt zusammen. Er organisiert mit Kommilitonen Proteste an der Fakultät, schreibt Petitionen, hängt einen 100 Meter langen Trauerfloor an der Universität auf. Aber es hilft nichts. Die Studierenden können zwar erreichen, dass das Ausschreibungsverfahren für die Pianoprofessur wegen gravierender Ungereimtheiten und Verfahrensmängeln wiederholt werden soll, aber diese Episode hat bei Silvio Baroli zu tiefe Narben hinterlassen. Er verzichtet enttäuscht auf eine erneute Kandidatur.

Hercules schließt sein Studium noch ab, aber glaubt, jetzt ohne Mentor, nicht mehr daran, dass ihn eine große Karriere erwartet. Er zieht ins 100 km entfernte Sao Paulo, pendelt mehrere Monate lang mehrmals wöchentlich zwischen dort und Campinas hin und her, verdient sein Geld wie so viele andere als Klavierlehrer, Barpianist und in Bands ganz unterschiedlicher Genres: In Swing-Jazz-Kombos, als Akkordeonspieler in Forró-Gruppen, in Top100-Bands auf Hochzeiten als Keyboarder. So geht es ein paar Jahre, er holt viel vom Leben nach, das während seines Studios zu kurz kam.
Dann wird er Vater einer Tochter. Für ihn der Startschuss, dem Rat seiner Musikerkollegen zu folgen, endlich seinen eigenen musikalischen Weg zu gehen. Ausgestattet mit den technischen Fähigkeiten der ganz Großen, mit der musikalischen Sozialisation des übersprudelnden Kosmos brasilianischer Musik, mit seiner unvergleichlichen Hingabe an Musik, könne er so viel mehr erreichen als alle anderen.

Zum ersten Mal in seinem Leben meldet er sich bei einem Musikwettbewerb an, den er auf Anhieb gewinnt. Er beginnt an sich zu glauben und erfüllt sich mit den Preisgeldern 2012 den großen Traum von seiner eigenen CD: „Pianismo“.
Er weiß noch nicht, ob diese erste CD nicht vielleicht auch die letzte sein könnte und setzt alles auf eine Karte: Es muss das beste Studio, der beste verfügbare Flügel, der beste Mischer sein. Er will buchstäblich alles geben, um sich später keinen Vorwurf machen zu müssen, nicht das Maximale versucht zu haben. Zur Hälfte spielt er eigene Arrangements von Klassikern der Musikliteratur seines Landes – von Ernesto Nazareth oder Radames Gnattalli – aber auch von zeitgenössischen Genies wie Hermeto Pascoal. Zur anderen Hälfte spielt er eigene Kompositionen.
Das, was er auf „pianismo“ dokumentiert, verändert sein Leben auf einen Schlag: Er wird über Nacht zu einem der herausragenden Vertreter der MIB, der brasilianischen Instrumentalmusik. Die große und angesehene Zeitung „Estado de Sao Paulo“ vergibt in einer CD-Kritik 11 von 10 Punkten.
Es geht stetig bergauf. Er wird eingeladen in die USA, auf die Konzertbühnen Südamerikas, nach Asien. Er spielt als Solist mit Philharmonischen Orchestern. Drei weitere CDs folgen, alle mit kompletten Neuarrangements von Werken brasilianischer Komponistinnen und Komponisten, die prägend waren für die späteren Welterfolge von Choro und Bossa Nova. Er erweitert diese Klaviermusik um eine unvergleichliche rhythmische Dichte, also das, was seine Art, Klavier zu spielen, auszeichnet und so attraktiv macht für so viele andere Pianisten seines Landes.

Dann kommt Corona. Ein geplantes Konzert in Rom wird abgesagt, das in Beirut 2023 fällt dem Israel-Gaza-Krieg zum Opfer.

Nun jedoch ist es soweit: Hercules Gomes kommt zum ersten Mal in die alte Welt, um zu zeigen, was mit brasilianischer Musik auf diesem Instrument alles möglich ist. Im für dessen herausragende Akustik gerühmten Sendesaal Bremen wird er seine erste Live-CD einspielen, die gleichzeitig die erste Veröffentlichung sein wird, auf der ausschließlich eigene Kompositionen zu hören sind. Nach einer Einladung zum größten Klavierfestival Europas, dem Klavierfestival Ruhr im Juli, wird diese CD die Grundlage seiner Tour im Herbst 2025.

Preise: €32/22/16 (normal, ermäßigt, Mitglied)