Datum & Uhrzeit

Datum
Sonntag, 02. Juni 2019
Beginn 20:00
Kasse 19:00

Lars Johansens Charpentier-Projekt

Der norwegische Cembalist Lars Hendrik Johansen (der zuletzt mit dem Tenor Håkon Kornstad im Sendesaal gastierte) promoviert über die Leçons de Ténèbres von Charpentier aus dem 17. Jahrhundert, die u.a. bedeutend sind im Hinblick auf die Frage improvisatorischer Freiheit oder Unfreiheit von musikalischen Verzierungen. Dieses Programm ist der praktische Teil seiner Promotion. Die CD dazu entsteht in diesen Tagen im Sendesaal.


Marc Antoine Charpentier: Leçons de Ténèbres du mercredi saint (1680)

Ensemble L´État Libre de Neige
Claire Lefilliâtre –Sopran
Cathrine Bothner-By – Sopran
Mari Askvik – Mezzosopran
Ulrik Gaston Larsen – Laute
André Lislevand – Viola da gamba
Tormod Dalen – Cello
Lars Henrik Johansen – Cembalo

Marc Antoine Charpentier war vielleicht der Komponist, der die meisten Leçons de Ténèbres schrieb. Die Lesungen während des Morgengebetes matutin am Donnerstag, Freitag und Samstag vor dem Ostersonntag bestehen  aus fünf Jeremia zugeschriebenen  Klageliedern. In Paris wurden im 17. Jahrhundert Vertonungen der Lesungen von Klageliedern zu einem unverwechselbaren und paradoxerweise publikumsfreundlichen Stil entwickelt. Da matutins eine nicht gerade öffentlichkeitsfreundlicher Zeit hatten, hielt man stattdessen des Gebet in der Nacht zuvor ab – also Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Jedes matutin enthielt (unter anderen Einheiten) drei Lamento-Lesungen mit responsorium.

Das Programm besteht aus Lesungen und responsorien, die Charpentier  für die Nonnen im Kloster Abbaye-aux-Bois für die ganze Karwoche im Jahr 1680 schrieb. Das musikalische Programm konzentriert sich indes auf den Mittwoch, den mercredy sainct, denn hier sind eine Menge von Verzierungen explizit in den Noten wiedergegeben, die in der Regel den Musikern zum Improvisieren überlassen wurden. Ein Teil der Arbeit an dieser Musik besteht darin, die Bedeutung und Gefühle aller Verzierungen zu verstehen.

Wenn Villeneuve 1719 über die Leçons de Ténèbres sagte  „Man sollte nicht beim Takt sich einschüchtern, außer an einigen Stellen, die ich mit Takt genommen habe“, und ein Docteur de Sorbonne 1698 beklagt wie man bei den Leçons de Ténèbres „die Instrumente mit den Stimmen zum Weinen bringe“,  weist das moderne Interpreten auf ein weiteres Problem hin: Welche musikalischen Freiheit meinen diese und andere Kommentatoren?

Dieses Projekt ist Teil des Ph.D.-projekts von Lars Henrik Johansen und ist eine Zusammenarbeit zwischen der norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (NTNU),  der Sorbonne Université Paris, des italienisch-norwegischen Zentrums für musikalische Studien CasalEmilio und dem Ensemble L’État Libre de Neige.

L’État Libre de Neige ist ein Ensemble für Alte Musik. Es hat eine flexible Besetzung, je nach Projekt, aber alle Spieler sind Spezialisten für frühe Musik. Das Ziel des Ensembles ist es, Aspekte der Aufführungspraxis zu erkunden und zu hinterfragen, mit Experten in ganz Europa zusammenzuarbeiten und berührende und wunderschöne Konzerte zu schaffen.

Der Name (übersetzt etwa schneefreier Zustand) bezieht sich auf Ideale hinsichtlich Kollektivität und Improvisation und darauf, dass kompetente und inspirierte Musiker ihr Wissen und ihre Kreativität in diesem freien Zustand voll einsetzen können.
Flexibilität ist für das Ensemble ein wichtiger Schlüssel. Es versteht sich auf maßgeschneiderte Projekte für bestimmte Kontexte und Zielgruppen.

Das Ensemble hat in Norwegen, Schweden, Deutschland, Frankreich, Malta und Brasilien gastiert, verschiedenes Publikum unterhalten, Monarchen und Unternehmen; und hat Aufnahmen sowohl für den kommerziellen Verkauf als auch für wissenschaftliche Dokumentation gemacht.